Münster – Ein Monat lang auch vegane Speisen in der Unternehmenskantine. Für diesen Schritt erhielt der LVM Münster harsche Kritik vom Verband der freien Bauern. Mitglieder drohten gar mit massenhaftem Austritt. Der LVM reagierte prompt: Er hat nun alle Veröffentlichungen zum Thema gelöscht und Informationen über die Auswirkungen veganer Ernährung von seiner Homepage genommen. Ob der Veganuary weitergeführt wird, soll der Küchenchef entscheiden.
„Wir finden die Entschuldigung und die umfassende Reaktion auf die Vorwürfe sehr irritierend“, sagt Katharina Geuking von der Initiative „Münster isst veggie“. Zumal der LVM an keiner Stelle zu einer rein veganen Ernährung aufgerufen hat. Die rein pflanzlichen Gerichte waren immer eine Option unter mehreren.
Der Versicherer hatte die Aktion unter anderem mit Zahlen der Harvard University und der Vegan Society UK wissenschaftlich untermauert und begründet. Beide haben berechnet, welche Auswirkungen es hat, wenn sich eine Million Menschen einen Monat lang vegan ernähren: Sie sollen
- 103.840 t CO2-eq sparen,
- 405 t PO43-eq in Gewässern sparen (Eutrophierung),
- 6,2 Mio. l Wasser sparen und
- zudem sei das Leben von 3,4 Mio. Tieren verschont geblieben
Diese Zahlen waren der Stein des Anstoßes für die Freien Bauern. Sie kritisieren deren Zustandekommen, bezweifeln ihre Richtigkeit und werfen dem LVM unter anderem Populismus vor. Die Forderung: Die Versicherung solle sich von ihrer Aktion distanzieren und bei ihren seinen Mitgliedern dafür entschuldigen.
„Diese Reaktion ist übertrieben und sehr bedauerlich“, sagt Heiko Wischnewski von Münster isst veggie. Schließlich verbiete die Kantine den Fleischkonsum nicht, sondern gebe den Gästen nur die Gelegenheit, auch rein pflanzliche Mahlzeiten zu probieren – eine Option, die sich übrigens beim LVM, wie in ganz Deutschland, großer Beliebtheit erfreut. „Es ist schade, dass die Freien Bauern den Kantinengästen nicht einfach die Wahl lassen, was sie essen möchten“, fasst Wischnewski zusammen.
Aber auch sachlich sei der Beitrag der Bauernlobby schlicht falsch. Denn im gleichen Schreiben bezeichnet der Verband die Fleischproduktion als klimaneutral – eine Aussage, der jedes Klimamodell widerspricht. Wissenschaftler des Weltklimarats (IPCC) machen die Fleisch-, Milch-, und Wollproduktion für etwa 33% der Treibhausgasemissionen verantwortlich und vertreten damit eine allgemein anerkannte Position. Zudem betont der IPCC, dass Fleisch kaum einen Beitrag zur Ernährungssicherheit leistet. Denn es werden 80% der landwirtschaftlichen Nutzfläche benötigt, um nur 20% unseres Kalorienbedarfs zu decken. Wollte die Fleischproduktion umweltverträglich werden, müsste sie allein auf Weidehaltung setzen. So ließe sich aber nur ein kleiner Bruchteil der nun gehaltenen Tiere ernähren Es führt daher aus Klimaschutzgründen kein Weg daran vorbei, dass der Fleisch- und Milchkonsum weltweit auf ein verträgliches Maß sinkt.
Wie die gesamte Gesellschaft muss sich auch und gerade die Landwirtschaft sich grundlegend ändern, um „klimaneutral“ zu werden. Doch klar ist: Ohne Bauern geht es nicht. Denn pflanzliche Nahrung muss schließlich irgendwo angebaut werden. Vor dem Hintergrund ist der Protest des Bauernverbandes noch weniger nachzuvollziehen „Mit ihrer völlig überzogenen Kritik stellen sich die Landwirtinnen und Landwirte ins Abseits“, glaubt Heiko Wischnewski.
Die Initiative hofft, dass die Kantine trotz Kritik bei ihrer Entscheidung bleibt, den ganzen Januar über rein pflanzliche Speisen anzubieten. „Wir begrüßen es sehr, dass ein so großes Unternehmen in Münster veganes Essen ausprobiert und so zu Klima- Umwelt- und Tierschutz beiträgt. Münster isst veggie unterstützt diesen Schritt ausdrücklich“, sagt Katharina Geuking.